Bechstein-Tradition
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Nach dem Krieg: C. Bechstein Manufaktur in der Reichenberger Straße / Ohlauer Straße (Berlin-Kreuzberg)
ZEITALTER DER ANFÄNGE
Der Zweite Weltkrieg riss auch Bechstein in die Katastrophe. Berlin stand im Zentrum der Großangriffe der englischen und amerikanischen Bombergeschwader. Die Produktionsanlagen in der Reichenberger Straße wurden weitgehend zerstört, ebenso ein großer Teil der abgelagerten Holzvorräte. Unter der alliierten Militärverwaltung lag Bechstein im amerikanischen Sektor. Die US-Administration beschlagnahmte das Unternehmen; erst 1951 wurde die amerikanische Treuhänderschaft aufgehoben. Die Aktien von Helene Bechstein, die nach deren Tod auf die Kinder Lieselotte und Edwin Otto Bechstein vererbt wurden, blieben dabei vorerst unter amerikanischer Kontrolle. 1963 gingen Teile davon ebenso wie die Anteile der Golddiskontbank an den traditionsreichen Klavierhersteller Baldwin Company in Cincinnati. Mitte der 70er Jahre verkaufte dann auch Edwin Otto Bechstein seine mehr als 25 Prozent an Baldwin.
Unmittelbar nach der Kapitulation erhielt das Unternehmen von den Kontrollbehörden den Auftrag, aus dem vorhandenen Holz Särge zu zimmern, was vielleicht nicht ganz ohne tiefere Absicht geschah. Vor allem die amerikanische Besatzungsmacht verfolgte mit ihrer Nachkriegspolitik mehrere Absichten auf einmal: zum einen die der sogenannten „re-education“ und einer damit verbundenen Demokratisierung; zum anderen aber auch das Ziel einer gründlichen Auswertung aller deutschen Patente und Entwicklungen für die zivile und militärische Produktion in den USA sowie das einer sukzessiven Öffnung und Vorbereitung des deutschen Marktes für US-amerikanische Produkte.
Es gibt zwei Ikonen der musikalischen „Kultur“ des Krieges – symbolstarke Fotos, die um die Welt gingen und die sich in die kollektive Erinnerung geprägt haben. Das eine zeigt einen lässigen amerikanischen Soldaten am eroberten Wagner-Flügel inmitten der Schuttberge der Bayreuther Villa Wahnfried; das andere arrangiert fröhliche G.I.s um jenes fronttaugliche, für die Soldatenbetreuung entwickelte New Yorker Steinway-Pianino, das den beziehungsreichen Namen trug: „Victory Vertical“. Die Bedingungen für einen Neubeginn der C. Bechstein AG hätten kaum weniger günstig sein können.
EIN SCHWIERIGER SPÄTER NEUBEGINN
Dennoch konnte man im Dezember 1951, mehr als sechs Jahre nach der Kapitulation und nach einer Zeit der äußerst eingeschränkten Produktion, endlich wieder eine Fabrik mit 8.000 Quadratmeter Fläche in Betrieb nehmen. Für den Wiederaufbau waren ERP-Kredite zur Verfügung gestellt worden. Maschinen, Trockenanlagen und viele Werkzeuge wurden neu beschafft und entsprachen damit dem modernsten Stand. Trotz der Verluste verfügte man noch über Holzvorräte aus den 30er Jahren, darunter auch das kostbare rumänische Resonanzbodenholz und Stimmstöcke.
Schon knapp zwei Jahre später wurde die Hundertjahrfeier glanzvoll begangen. Der Titaniapalast, der auch den Berliner Philharmonikern mit ihrem damaligen Chefdirigenten Wilhelm Furtwängler als Konzertsaal diente, war überfüllt, als Wilhelm Backhaus am 21. November 1953 dort ein reines Beethoven-Programm spielte: fünf Sonaten einschließlich der Opus 111 als tiefsinnigem Finale.
In diesen Jahren blieben die Absatzzahlen zwar in verhältnismäßig bescheidenen Dimensionen, doch konnte man unmittelbar an die alten Qualitätsstandards wieder anknüpfen. 1954 kaufte der Dirigent Sergiu Celibidache für seine Wohnung in Mexico City einen Stutzflügel und zeigte sich begeistert. Übrigens wurde 1957 der dritte Bechstein seit Kriegsende nach Japan exportiert; der Käufer war die Firma Yamaha, die den Konzertflügel in ihrer Musikhalle aufstellte.
In Europa war das Vertrauen in die wachsende Wirtschaftskraft so groß, dass der Bechstein-Aufsichtsrat bereits im Oktober 1954 beschloss, eine zweite Fabrik zu bauen. Nur wenige Monate später zeichnete sich durch die Absichtserklärung von Messina die künftige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ab. Als im Oktober 1959 auf dem neu erschlossenen Industriegelände Killisfeld am Rand von Karlsruhe Richtfest gefeiert wurde, war die EWG, die Vorläuferin der heutigen EU, bereits durch die Römischen Verträge Realität geworden.
Die Entscheidung für das Zweigwerk in Karlsruhe – dort verfügte man über eine Produktionsfläche von 1.800 Quadratmetern – erwies sich als richtig. Denn durch den Bau der Berliner Mauer im August 1961 war man in der alten Hauptstadt abgeschnitten. Vor allem wurden auch die Arbeitskräfte knapp. In den späten 60er Jahren erreichte die jährliche Produktion insgesamt etwa 1.000 Instrumente, gefertigt in Berlin und Karlsruhe; der Gesamtumsatz betrug rund 4,5 Millionen Mark. Sogar noch ein weiterer Standort entstand, in Eschelbronn. Mehr als die Hälfte der Instrumente wurde exportiert. Wer damals einen Bechstein haben wollte, musste mehr als ein halbes Jahr warten.